Die repräsentative Studie, welche die Leistungsabgeltung für Nachrichten allein für die Suchmaschine Google und die Schweiz auf mindestens 154 Millionen Franken pro Jahr beziffert, ist aufgrund der anstehenden Vernehmlassung zu einem Leistungsschutzrecht äusserst bedeutsam. Sie untermauert die Notwendigkeit eines Leistungsschutzrechtes, das internationale Tech- Plattformen verpflichtet, für die Nutzung journalistischer Inhalte einen fairen Ausgleich zu entrichten. Die Studie wurde wissenschaftlich durch die ETH Zürich und die Universität Zürich begleitet.
Für den Bundesrat ist klar: «Online-Plattformen profitieren in hohem Mass von Leistungen der journalistischen Medien» (Bericht des Bundesrates vom 17. Dezember 2021). Der Bundesrat erachtet daher eine Abgeltung der journalistischen Medien für deren Leistungen grundsätzlich als berechtigt. Gegenwärtig bereitet der Bundesrat eine Teilrevision des Bundesgesetzes über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vor. Damit erhielte auch die Schweiz – wie in der EU und gemäss internationalem Standard – ein Leistungsschutzrecht, welches den Schutz journalistischer Leistungen explizit festhalten würde. Was die Berechnung des Ausgleichs angeht, den die internationalen Tech- Plattformen zu leisten hätten, vermag eine neue Studie erstmals verlässliche Zahlen zu liefern. Dabei wurde das Online-Verhalten von 1’573 Internetnutzerinnen und Internetnutzern eingehend überprüft.
Informationsbeschaffung vorwiegend über Suchmaschinen
Gemäss der Studie von FehrAdvice & Partners, welche im Auftrag des Verlegerverbandes SCHWEIZER MEDIEN und in Zusammenarbeit mit Wirtschaftswissenschaftern der ETH und der Universität Zürich erstellt wurde, zeigt sich folgendes Bild: Schweizerinnen und Schweizer nutzen zur Informationsbeschaffung mit Abstand am ehesten Suchmaschinen (86%), an zweiter Stelle die Online- Portale der Medien (50%), vor den sozialen Medien (40%) und gedruckten Tageszeitungen sowie anderen Medien (29%). Die Hälfte der Internetnutzenden (53%) bleiben dabei im Google-Ökosystem: Diese Menschen klicken nicht auf die Links zu externen Webseiten, weil die Antworten der Suchmaschine ausreichen, um das Informationsinteresse zu stillen, oder weil sie auf andere Services von Google (etwa Google Bilder) weiterklicken.
Zentraler Beitrag der Medien am Erfolg der Plattformen
Medien sind der wesentliche Faktor, der den Erfolg der Suchmaschinen im Bereich aktuelle Informationen erklärt. «Die Ergebnisse des Experiments weisen in eine eindeutige Richtung: Medieninhalte ziehen Nutzer in das Google-Ökosystem und halten sie dort», so die Studienautoren. Ein Google mit Medieninhalten wird als vollständiger, qualitativ hochwertiger und vertrauensvoller wahrgenommen als ein Google ohne Medieninhalte. In den Augen der User ist die Google-Suche mit Medieninhalten 16% mehr Geld wert als die Google-Suche ohne Medieninhalte. Dieser Unterschied ist statistisch signifikant. Die Studie zeigt weiter, dass Google öfter und intensiver genutzt wird, wenn Medieninhalte eingebunden sind. Die Medien stellen damit einen stabilisierenden Faktor für das Google Ökosystem in puncto Nutzung dar. Konkret steigert die Einbindung der Medieninhalte bei Google die Wahrscheinlichkeit, bei der nächsten Suche wieder Google zu verwenden, um 9 Prozent.
Aufwand bei den Verlagen, Nutzen bei Google
Es zeigt sich auf signifikante Weise, dass Google nur einen kleineren Anteil der eintreffenden Besuche auf die (Inhalte beitragenden) Medien verteilt, den grösseren Anteil der Besuche behält Google im eigenen Ökosystem. Damit hält Google wesentlich grössere Chancen zu Kommerzialisierung für sich zurück.
Das Teilungsverhältnis des für die Erlöse relevanten „Online-Traffics“ schlägt also eindeutig zu Gunsten von Google aus. Kurz gesagt: Medien stellen jene Inhalte bereit, die das Nutzungserlebnis von Google positiv verbessern, gehen aber in der Mehrheit der Anwendungsfälle in kommerzieller Hinsicht leer aus, da Google die Erlöse auf der eigenen Plattform nicht mit den Medienunternehmen teilt. «Wir sehen hier ein Marktversagen, bei dem es eine Regulierung braucht. Google nützt seine Monopolstellung aus», so die Studienautoren rund um den Ökonomen Ernst Fehr von der Universität Zürich und Mitglied des Verwaltungsrats bei FehrAdvice.
«Fair Share» von mindestens 154 Millionen Franken
Anhand der Daten hat FehrAdvice & Partners einen Wertbeitrag der Schweizer Medien für das Google Ökosystem errechnet. Als Grundlage der Ableitung dient einerseits der Marktanteil Googles an der suchmaschinenbasierten Werbung in der Schweiz (Google-Umsatz mit Search Engine Advertising, circa 1 Milliarde Franken) sowie die Studienerkenntnis, dass Medien in 70 Prozent der relevanten Fälle einen wesentlichen Beitrag zum positiven Sucherlebnis der User beitragen. Davon und aus anderen wesentlichen Kennzahlen leitet FehrAdvice & Partners einen marktüblichen «Fair Share» ab, der auf Basis eines Marktvolumens für Search Engine Advertising von 1,1 Milliarden Franken (Quelle: adex iab 2022) bei mindestens 154 Millionen Franken liegt. Bei Einführung eines Leistungsschutzrechtes müsste Google den Verlagen zusammen mit den Journalistinnen und Journalisten einen Betrag in der genannten Höhe entrichten. In gleicher Weise würde der Ausgleich anderer Tech-Plattformen zugunsten der Medienhäuser und Medienschaffenden berechnet.
Ökonom Ernst Fehr: Demokratische Meinungsbildung braucht funktionierenden Leistungsschutz
Das politische System der Schweiz zeichnet sich durch eine hohe Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger aus. Ökonom Ernst Fehr: «Die direkte Demokratie ist ein wesentlicher Treiber des Wohlstands in der Schweiz. Die Medien leisten einen unverzichtbaren Beitrag für die Gesellschaft, denn sie informieren die Bürger, die auf dieser Basis ihre Entscheidungen treffen können. Ein funktionierender Leistungsschutz bildet damit die Basis für die politische und wirtschaftliche Stabilität der Schweiz.»
Jüngste technische Entwicklungen auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz (KI) zeigen, dass dieses Thema sowie die Frage nach dem Schutz der Leistungen in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen wird. Vor diesem Hintergrund sagt der Ökonom Stefano Brusoni, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats: «Mit der Einführung der KI-basierten Suche (ChatGPT und andere Anbieter) befinden wir uns möglicherweise an einem Wendepunkt im Ökosystem der Suchmaschinen. Es ist der ideale Zeitpunkt für eine konstruktive Diskussion über die strategische Rolle, die Anbieter von Informationen an diesem Wendepunkt spielen.
Diese Studie wurde von FehrAdvice & Partners AG, einem unabhängigen Forschungs- und Beratungsunternehmen im Auftrag des Verlegerverbandes SCHWEIZER MEDIEN durchgeführt. Die Studie wurde wissenschaftlich durch Ernst Fehr, Professor für Mikroökonomie und Experimentelle Ökonomie an der Universität Zürich und Stefano Brusoni, Professor für Technologie und Innovationsmanagement an der ETH Zürich begleitet. Die Feldzeit belief sich vom 26. Januar bis zum 8. Februar 2023 mit 1’573 Befragten in der Schweiz, repräsentativ in Bezug auf Geschlecht, Alter (18-64) und Region Deutsch- und Westschweiz.
Hier Link kannst Du weitere Informationen zur Studie herunterladen.